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13. Dezember 2008 - Südföhn in Innsbruck, Wellenoptik zum Anfassen
Freud und Leid, Schneetraum und Tauwetter liegen in Innsbruck wohl so markant beieinander wie sonst wohl kaum in den Alpen. Gewöhnlich, in typischen Nordlagenwintern, folgt auf ein Genuatief wie in der zweiten Wochenhälfte eine nördliche Strömung, meist verbunden mit einem Mitteleuropakeil, zumindest aber mit einer weiteren Abkühlung, Setzung der Schneedecke und einer Bewahrung der Traumwinterlandschaft.

Nicht so in diesem Winter. War bereits das erste Winterintermezzo am 21-23.11. durch den durchgehend wehenden Nordföhn überschattet, der die 3-4cm Schneedecke auf eben diese Höhe beschränkt hielt und dem nachfolgenden Südföhn bereits 24h später freies Geleit ließ, so stellte sich bereits am Samstag, 13.12.2008, nicht einmal 24h nach den letzten Schneefällen vom Freitag, 12.12.2008, wieder eine Südföhnströmung ein.

Freitag mittag verlor das Mittelmeertief allmählich seinen Einfluss auf die Nordalpen und die Schneefälle ließen merklich nach. Es blieb aber aufgrund der "eingeflossenen" bzw. durch die Niederschläge viel mehr lokal produzierten Kaltluft relativ kühl mit Werten um den Gefrierpunkt.



Mit dem vom Nordatlantik nachrückenden okkludierenden Sturmtief kündigte sich aber schon frühzeitig Ungemach an und bereits am Samstag vormittag lässt sich in 850 hPa ein flaches "Föhnknie" erkennen, mit einem Leetrog über dem Alpenvorland und einem Luvkeil in der Poebene



Von einer quasi-hydrostatischen Unterstützung des Südföhns zu sprechen wäre übertrieben, da die kältere Luftmasse im Norden lag, wenngleich in Südtirol bedingt durch die gewaltigen Schneemengen noch viel kältere Luft vor Ort war.



Samstag mittag hat sich das Luv-Lee-Druckgefälle weiter verstärkt - zu diesem Zeitpunkt bzw. eine Stunde später habe ich auch die meisten der folgenden Bilder gemacht. Mit dem bemerkenswert meridional vorstoßendem Sturmtief wurde der Föhn auch immer mehr aus der Höhe gestützt und in 700hPa drehte der Wind langsam, aber sicher und zunehmend auf Südwest bis Süd



Das hat nun am Samstag zu folgender, faszinierender Situation geführt. Ich lief zunächst das Innufer entlang, schaute auf die Nordkette und wunderte mich über irgendetwas, das ich zunächst nicht fassen konnte. Irgendetwas stimmte da nicht, da war etwas seltsam.

Bild 1+2: Nordkette um 12.30 UTC





Nach einer Weile des Nachdenkens wusste ich, was mich irritierte, nämlich die vertikale Schneeverteilung. Bis 1000m war der Wald komplett schneebedeckt, bei Neuschneesummen von rund 30cm in ein tiefes Winterkleid gehüllt. Darüber schloss sich eine weitgehend schneefreie Schicht bis ca. 1400m an, ehe wieder schneebedecktere Hänge und Bäume folgten. Für eine derartige Schneeverteilung kam nur der Föhn in Frage, der Schlingel... Vermutlich war der Föhn in genau dieser, lediglich 400m dicken Schicht durchgebrochen, und wurde zur Seite, nach Westen und Osten hin, abgelenkt. So zog sich dieser grüne Streifen von der Martinswand bis zum Bettelwurf hin, und behielt seine Dicke und Höhenlage bei.

Ich wollte eigentlich erst nach Igls fahren, was mir dann aber zeitlich zu knapp war, weswegen ich die Hungerburg vorzog. War vermutlich auch besser so, denn der Föhn war ja längst am Durchgreifen und ich hätte in Igls nur noch Schneematsch vorgefunden. Als ich an der Hungerburgbahn-Bergstation stand, wurde es unvermittelt wärmer, der Schnee tropfte großzügig von den Bäumen und nach Süden hin entfaltete sich ein unglaubliches Schauspiel:



Im Wipptal hielt sich eine dünne Kaltluftschicht, darüber war die Inversion vom Föhn erodiert worden, und hinter der Serles stand die Föhnmauer und der Wind verblies den Schnee. Ein breiter blauer Streifen hielt sich beständig und wurde nach oben hin durch eine Art Leewolke begrenzt.



Ganz anders hingegen die Lage östlich von Innsbruck, wo sich der Föhn schwer tat, etwas gegen die mächtige Kaltluftschicht auszurichten, die bis 900-1000m reichte und nach Osten zu immer weiter anstieg.



Nochmal ein Blick auf das Schauspiel im Stubaital.



Innsbruck vollkommen schneebedeckt mit 10-15cm Schnee, diesen Anblick gab es sehr kurz an Ostern 2008 (zum kalendarischen Frühlingsanfang ausgerechnet) und zuvor erst im März 2006. Auch hier hat der Föhn schon seine Spuren hinterlassen. Am Nordhang des Patscherkofels fällt die dunklere Färbung des Waldes auf, der an Schneeüberzug eingebüßt hat. Entweder hatte sich hier der Föhn vom Wipptal kommend nach Osten vorgearbeitet oder blies infolge der Wellenbildung und Stromliniendrängung im Lee des Patscherkofels so stark. Letzteres ist wohl wahrscheinlicher, weil nach Westen zu die Hänge noch schneebedeckt sind. Offenbar ein lokales Wellenphänomen.

Einige Minuten später, etwa hundert Meter tiefer vom "Judenbühel" fotografiert, den man in der Nähe der Station Alpenzoo der neuen Hungerburgbahn findet.



Am Wipptalausgang bilden sich zunehmend Ac len heraus, die relativ stationär blieben, aber ständig ihre Form veränderten. Vermutlich handelt es sich um Leewellen, die aus einem hydraulischen Sprung heraus entstehen. Hierbei beschleunigt die Strömung am Ausgang des Tals, wird überkritisch (Froude-Zahl größer eins), und die kinetische Energie wird abrupt vernichtet, indem die Strömung turbulent an Höhe gewinnt und auf einem höheren (Energie-) Niveau weiterfließt. Die Dicke der Strömung nimmt zu, gemäß Bernoulli-Effekt muss die Strömungsgeschwindigkeit abnehmen, und die Strömung wird wieder kritisch bzw. unterkritisch (Froude-Zahl kleiner oder gleich eins). Der hydraulische Sprung macht sich bei genügend Feuchte häufig durch eine stationäre, quer zur Strömung verlaufenden Leewolke bemerkbar, die schmal und langgezogen ist.



Hier ein solcher Säbel.



Dann mehrten sich die Föhnfische.

Ich ging dann weiter, beständig in der Föhnluft bis Höhe Alpenzoo verbleibend, ehe ich im Talboden bei vorföhnigem Westwind angelangte.

Als ich gegen 14.30 UTC wieder einen Blick zur Nordkette warf, hatte der Föhn schon ordentlich gearbeitet und die anfangs noch mächtige Schneedecke auf den Bäumen abgekratzt



Im Sondenaufstieg von Sonntag vormittag



ist der Flughafen durch eine seichte Kaltluftschicht mit vorföhnigem Westwind noch von der darüberliegenden Föhnschicht getrennt, die mit einer markanten 10K-Inversion auf wenigen Dekametern einhergeht.

Das Webcambild der Nordkette von Sonntag mittag zeigt in den markierten Bereichen das Wirken des Föhns.



Weite Bereiche im Lee des Patscherkofels sowie am Westhang ("Prallhangeffekt") sind schneefrei, auch die Schneedecke in den Mittelgebirgsorten Lans und Aldrans zeigt erste grüne Flecken, während weiter südöstlich noch alles weiß ist.

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